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  • El Salvadors Regierung zwang den Bürgern die Kryptowährung Bitcoin auf, die meisten machten erst gar nicht mit – aber draufzahlen müssen sie trotzdem.
  • Die Idee mag edel gewesen sein (war sie wahrscheinlich nicht), aber die Ausführung hat den Führer, der seit seiner Machtübernahme als Diktator bezeichnet wird, schwer enttäuscht.

Im Juni letzten Jahres wurde eine der größten Ankündigungen der Kryptobranche werbewirksam in die Welt gesetzt:  Auf der Bitcoin Konferenz in Miami, im „Sunshine State“ Florida, verkündete der Präsident eines winzigen mittelamerikanischen Landes, dass er Bitcoin in seinem Land zum gesetzlichen Zahlungsmittel machen werde. Die Ankündigung wurde von der Menge, die sich zu der Veranstaltung in Florida eingefunden hatte – die für ihre  „Fuck Elon“ – Sprechchöre berühmt ist –  mit Begeisterung aufgenommen.

Vom Jubel mitgerissen, stellten nicht viele die Frage, wie das funktionieren sollte. Würden die Salvadorianer in der Lage sein, für jede Transaktion durchschnittlich 3 Dollar zu bezahlen? Würde die 10-minütige Wartezeit für jede Transaktion nicht ein Problrm für die Zahle der täglichen Transaktionen darstellen? Wären die Salvadorianer in der Lage, auf die nötige Infrastruktur für Bitcoin-Transaktionen zuzugreifen, also auf Smartphones und eine Internetverbindung? Was ist mit den Unternehmen – würden sie sich wohl dabei fühlen, in einer Währung bezahlt zu werden, die über Nacht 10% verlieren oder gewinnen kann?

Präsident Nayib Bukele äußerte sich nur vage dazu, wie er Bitcoin praktisch einführen wollte. Wochen später wurde klar, dass der Bitcoin den Menschen zumindest teilweise aufgezwungen wurde. Er brachte ein Gesetz durch das Parlament, das alle Unternehmen verpflichtete, Bitcoin zu akzeptieren, ob sie wollten oder nicht. Dann schaffte er Anreize für die Bürger, die staatlich gesponserte Chivo-Wallet herunterzuladen, indem er ihnen einen Einstiegsbonus von 30 Dollar zusicherte.

Erst Colón, dann Dollar, dann Bitcoin

Der Erfolg des Bitcoin-Experiments lässt sich an einer Reihe verschiedener Kriterien messen, von der Frage, ob der Bitcoin von der Bevölkerung angenommen wurde, über die Frage, ob er das Leben der Salvadorianer verbessert hat, bis hin zur Frage, ob er langfristig als Währung lebensfähig ist.

Doch zunächst ein kurzer Überblick über die Entwicklung der salvadorianischen Währung.

Die Wirtschaft des zentralamerikanischen Landes basierte von 1892 bis 2001 auf dem Colón, der eigentlichen  Landeswährung. Dann beschloss die salvadorianische Führung, auf den US-Dollar umzusteigen – zu einem Zeitpunkt, als Nachbarländer wie Ecuador diesen Schritt bereits vollzogen hatten.

In den zwei Jahrzehnten seither genoss El Salvador einen moderaten wirtschaftlichen Wohlstand, mit einer durchschnittlichen Inflation von 2% und Hypothekenzinsen von 7%. Das lag natürlich nicht nur am Dollar.

Dann kam Bukele, der im Mai 2019 sein Amt antrat. Sein Ziel war klar – er würde die Bevölkerung an Bitcoin heranführen. Nachdem er 2021 in Miami angekündigt hatte, dass er die Kryptowährung zum gesetzlichen Zahlungsmittel machen wolle, verabschiedete er das Bitcoin-Gesetz.

Dies war das erste Problem bei Bukeles Bitcoin-Experiment – er zwang es den Menschen auf. Das Gesetz war drakonisch – so drakonisch, dass sogar ausgeweiesene Hardcore-Bitcoin-Fans Bukele anprangerten.

Vitalik Buterin war einer der prominentesten – und kompetentesten – Kritiker innerhalb der Community. er schrieb auf Reddit:

„Es für Unternehmen verpflichtend zu machen, eine bestimmte Kryptowährung zu akzeptieren, widerspricht den Idealen der Freiheit, die für den Krypto-Raum so wichtig sein sollen.“

Die Bitcoin-Lüge

Im Anschluss an das Bitcoin-Gesetz machte Bukele Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel. Beim Start gab es einige Probleme mit der staatlich verordneten Wallet, die aber schnell behoben wurden. Seitdem hat der Präsident auf Twitter die Akzeptanz von Bitcoin in der Bevölkerung gepriesen und dies als Beweis dafür bezeichnet, dass Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel verwendet werden kann.

Das war schlicht gelogen: Von Akzeptanz konnte keine Rede sein, im Gegenteil:  Im Land gab es Proteste gegen das Bitcoin-Gesetz, und die Demonstranten machten deutlich, dass sie sich der zwangsweisen Verwendung von Bitcoin wiedersetzen würden.

Außerdem hatten inzwischen auch Studien ergeben, dass eine Mehrheit der Salvadorianer gegen Bitcoin als offzielle Währung war. In einer solchen Studie wurde festgestellt, dass 7 von 10 Personen die Einführung von Bitcoin ablehnten oder stark ablehnten. 9 von 10 Befragten wussten nicht, was Bitcoin eigentlich ist, und 7 von 10 forderten die Aufhebung des Bitcoin-Gesetzes.

Um die Bedeutung der Studie zu verstehen, muss man sich vor Augen halten, dass Präsident Bukele in El Salvador eigentlich äußerst beliebt ist. Trotz seiner diktatorischen Tendenzen lieben ihn die Menschen. Wenn also 70 Prozent der Befragten ihm nicht zustimmten, zeigt dies, wie gründlich Bukele diesmal in der Einschätzung der Reaktion der Bevölkerung auf eine seiner Maßnahmen daneben gelegen hat.

Die Universität UCA, die die Umfrage durchgeführt hat, fasste die Ergebnisse zusammen,

„Aus dieser Umfrage geht neben der breiten Ablehnung der Einführung von Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel auch hervor, dass es zum ersten Mal eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Bevölkerung und den Entscheidungen des Parlaments und des Präsidenten gibt.“

Aber selbst wenn die Menschen Bitcoin gewollt hätten, wäre es machbar gewesen?

Laut BitInfoCharts liegen die Bitcoin-Gebühren seit Juli letzten Jahres im Durchschnitt bei 2,5 Dollar. In den fünf Monaten davor betrugen sie im Durchschnitt 10 Dollar und waren im April und Mai sogar auf über 40 Dollar gestiegen. In einem Land, in dem immer noch Armut weit verbreitet ist, können solche Gebühren nicht funktionieren. Und dann sind da noch die lange dauernden Transaktionen.

Das „Bitcoin-System“ des Landes basiert nicht einmal auf der originelen Blockchain. Die Zahlungsinfrastruktur ist auf Algorand aufgebaut, einer völlig anderen Blockchain.

CryptosRUS stellt fest:

„Die wenigsten Menschen wissen, dass, wenn El-Salvadorianer eine Tasse Kaffee mit Bitcoin über die Chivo-App kaufen, dies über Algorand-Zahlungssysteme geschieht. Es sind verschiedene Parteien beteiligt, aber Algorand steht hinter der App.“

El Salvador bekommt nun keine Kredite mehr vom IWF, die Weltbank verweigert die Zusammenarbeit bei der Bitcoin-Initiative, rund 70% der Bevölkerung sind gegen Bitcoin als offizielle Währung. War es das wert?

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Steve ist seit 8 Jahren ein Blockchain-Autor und noch länger ein Krypto-Enthusiast. Am meisten begeistert er sich für die Anwendung von Blockchain zur Bewältigung der Herausforderungen von Entwicklungsländern.

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